Fahrradfahrers Mitverschulden
Wie wohl tut dem Fahrradfahrer mit (noch) Hochleistungshirn die Sorge eines anderen Verkehrsteilnehmers mit Hochleistungshirn um das Hochleistungshirn an sich!
Deswegen schütze ich das meine, das auch gerade diese Zeilen veranlasst, seit 2 Jahren durch einen Helm, wenn ich Fahrrad fahre. Andere handhaben das anders, was keinesfalls dafür spricht, das dort keine Hochleistungshirne vorhanden sind oder gar eine Hinrminderleistung vorliegt. Möglicherweise steht einfach Wohlbehagen im Mittelpunkt.
Das OLG Schleswig – Holstein meint, ein Fahrradfahrer ohne Helm trage an seinem unfallbedingten Hirnschaden eine Mitschuld, wenn er beim Fahrradfahren keinen Fahrradhelm trägt, auch wenn er am Zustandekommen des Unfalls selbst keine Mitschuld trägt.
Ich habe das Urteil gelesen – und bin ein wenig empört. (Es ist übrigens das 1. mal, dass ein OLG zu dieser Rechtsauffasung kommt, andere Senate aus anderen Bundesländern sehen das anders. Das Urteil fand auch nicht Zustimmung der klagenden Geschädigten. Deren Rechtsanwältin hat Revision zum BGH eingelegt, so dass die dortigen Hochleistungshirne sich mit dem Problem auseinander zu setzen haben werden und das Urteil zur Zeit (noch?) keine Rechtskraft erlangt).
Es ist natürlich richtig, dass man sich besser schützen kann durch einen Helm. Konkret geht es aber um die „Gemeinschaft der Versicherten“ – vertreten durch die Versicherungskonzerne – , die die Kosten für Schmerzensgeld und Heilbehandlung etc. aufzubringen haben, wenn ein Schaden eintritt, weswegen um die hintergründigen Rechtsfragen seit Jahrzehnten von den Versicherungsgesellschaften gerungen wird. Diese Schäden sollen nun von den Geschädigten zu 20% selbst zu tragen sein – nach Auffassung des OLG Schleswig – Holstein.
Es geht dabei um den teilweisen Abschied von der gesetzlich normierten Gefährdungshaftung für potentiell gefährliche Gegenstände wie einem PKW – egal ob mit 13 oder 765 PS.
Wieso soll das künftig (nur?) für Fahrradfahrer gelten, von denen eigentlich keine nennenswerte Eigengefahr ausgeht und die sich ebenso wie Fußgänger (unter Umständen) mit Kraftfahrzeugen auseinandersetzen müssen, die über einige hundert PS verfügen und deren Fahrer durch 25 Airbags geschützt sind? Ich befürchte, dass nun auch Fußgängern zuzumuten sein wird, dauerhaft Helme zu tragen (wieso sollte das Tragen von Helmen für Fußgänger weniger zumutbar sein als für Fahrradfahrer?)
Kinderkarren werden mit eigenen Airbags auszustatten sein, Fahrradfahrer werden demnächst den Schaden auch dann fahrlässig mit verursacht haben, wenn sie keine Armgelenks-, Knie- und Schienbeinschützer – tragen, wie die Skater. Grob fahlässig ist es womöglich, überhaupt Kinder auf Fahrräder zu lassen – allein dies könnte gegenüber dem Audi Q 7 – Haftpflichtversicherer eine Mithaftung von 50% begründen – Kinder ohne Helm werden 100% des Schadens zu tragen haben…
Neinnein, mein Hochleistungshirn echauffiert sich nicht, neinnein.
23.06.2014
P.S.: Inzwischen hat der zuständige Senat beim Bundesgerichtshof eine Mithaftung des geschädigten Fahrradfahrers verneint, das oben diskutierte Urteil wurde aufgehoben (VI ZR 281/13). Damit steht fest, dass den /die Fahrradfahrer/in grundsätzlich kein Mitverschulden an eigenen Verletzungen trifft, nur weil beim Fahrrad Fahren kein Helm getragen wurde. Da freut sich mein Hochleistungshirn über ein zutreffendes Urteil und bekommt dennoch beim Fahrradfahren immer einen Helm aufgesetzt: Schadensersatz setzt voraus, dass ein Schaden eingetreten ist, den irgend jemand schuldhaft herbei geführt hat. Den Eintritt eines solchen Schadens will ich aber gerade verhindern bzw. erschweren.
RA Manfred Alex, FAMUW